„Frage der Macht“: ALBA-Manager Baldi will NBA-Ausbildungsentschädigung
Wenn europäische Jungtalente eines Tages den Sprung in die NBA schaffen, erhalten deren Heimatteams oftmals keinerlei Ausbildungsentschädigung von der besten Liga der Welt – ein Umstand, der jüngst auch ALBA-Manager Marco Baldi noch einmal sauer aufstieß.
Für alle, die die immer hitziger werdende Diskussion um den europäischen NBA-Nachwuchs bisher noch nicht mitbekommen haben, vorab ein bisschen Backstory: Für junge europäische Basketballspieler wird mit dem Angebot eines Wechsels in die NBA oftmals ein langgehegter Traum wahr. Schließlich handelt es sich hierbei um einen Wechsel in die beste Basketball-Liga der Welt. Verlierer in diesem Tauschgeschäft sind oftmals die ehemaligen Klubs dieser Jungtalente, die über viele Jahre hinweg deren Ausbildung übernommen haben und die von der NBA für deren Abgabe aber keine Ausbildungsentschädigung erhalten.
Viele europäische Teams empfinden dies als unfair, vor allem seitdem das Interesse der NBA an europäischen Talenten zunehmend ansteigt (man bedenke beispielsweise den Umstand, dass seit der 2018er Saison ausschließlich europäische Spieler die Auszeichnung zum MVP, also zum wertvollsten Spieler der Liga erhalten haben). Immer öfter und immer entschiedener werden daher Stimmen laut, die eine Umstrukturierung dieser Regelung fordern. Die jüngsten Worte der Kritik stammen dabei von keinem geringeren als dem ALBA Berlin Managers Marco Baldi, der diese Entwicklungen aus dem Blickwinkel des wohlmöglich besten deutschen Basketballteams verfolgt.
Ein prominentes Beispiel für diesen Fall hat der ALBA-Geschäftsführer auch gleich an der Hand: Eigengewächs und jetziger NBA-Star Moritz Wagner. „Er hat seit seinem siebten Lebensjahr seine Ausbildung bei uns genossen. Dann ging er drei Jahre ans College, dann in die NBA. Wir bekommen dafür gar nichts“, fasste Baldi die gemeinsame Geschichte mit dem heutigen Orlando Magic Spieler zusammen. Auch Moritz Bruder, Franz Wagner, der in der vergangenen Saison ein äußerst erfolgreiches Rookie-Jahr in Übersee absolvierte, war nebenbei bemerkt einst Teil von ALBAs Nachwuchsmannschaft.
„Eines Tages würde ich da gern mal eine kleine Revolution anzetteln. Im Fußball gibt es, vom Weltverband Fifa implementiert, eine Ausbildungsentschädigung“, kam Baldi daher gegenüber der Berliner Morgenpost zu einem eindeutigen Fazit. Dem im Wege steht jedoch eine Zusammenarbeit zwischen dem Basketball-Pendant FIBA mit der NBA, welche ein solches System verhindert. „Die NBA generiert mehr als acht Milliarden Euro Umsatz pro Saison. Doch ausgerechnet für die Ausbildung all dieser Spieler, die aus Europa, Asien, Afrika, Australien kommen, ist kein Geld da? Die werden frei Haus geliefert“, äußerte der 60-Jährige diesbezüglich sein Unverständnis.
Baldi würde gerne „Revolution anzetteln“
Hinzu kommt ein weiterer Umstand, der der Diskussion um die abgewanderten europäischen Youngsters Baldi zufolge die Krone aufsetzt: europäische Klubs müssen ihrerseits jedoch sehr wohl Ablösesummen zahlen, sollten sie Spieler aus den USA verpflichten wollen: „Angenommen, Orlando würde ihn (Moritz Wagner; Anm.d.Red.) jetzt in sein Entwicklungsteam in der G-League abschieben, weil sie ihn gerade nicht brauchen – was hoffentlich nie passieren wird. Würde er von dort zu Alba Berlin wechseln wollen, müssten wir eine festgelegte Ablösesumme bezahlen“. Diese Zweischneidigkeit entbehre sich jeder Logik und Nachhaltigkeit, stattdessen „geht es um Macht“, so Baldi weiterhin.
Den jungen Spielern selbst, die mit ihrem Wechsel in die NBA ihren Lebenstraum wahrmachen, macht Baldi hingegen keinen Vorwurf: „Ich verstehe auch total, dass alle Spieler da hinwollen“, stellt der ALBA-Verantwortliche klar, „Aber das ist ein Zustand, um den ich mich gern mal kümmern würde. Ich glaube nämlich, dass auch die NBA ein Interesse daran haben muss, dass weiterhin Spieler dieser Qualität zugeliefert werden“. – Und die Qualität und Attraktivität dieser europäischen Spieler und der europäischen Ligen selbst sei in letzter Zeit enorm angestiegen so Baldi abschließend. Ein Fazit, welchem auch viele deutsche Fans nach der kürzlich abgeschlossenen Basketball-EM entschieden zustimmen dürften.
Foto: ALBA Berlin