Wir müssen über Tyler Herro sprechen
Schon klar, jeder hasst „Ich habe es euch ja gesagt“-Sager – in dieser Angelegenheit kann ich darauf allerdings keine Rücksicht nehmen: Diverse Basketballmedien waren im vergangenen Jahr der Ansicht, Tyler Herro befände sich nach seinem rekordverdächtigen Rookie-Jahr bei den Miami Heat bereits wieder auf dem absteigenden Ast. Nur wir vom basketball-magazin wollten den Youngster noch nicht aufgeben. Eine Saison später ist es nun Zeit für eine Zwischenbilanz.
Diverse rang- und namenhafte Medien haben im vergangenen Jahr darüber diskutiert, ob und inwiefern die Miami Heat mit dem großen Fokus, welchen sie auf ihren Nachwuchsspieler Tyler Herro legen, einen Fehler begehen. Der Jungspund werde überschätzt, in diesem Punkt schien man sich einig. Andere argumentierten sogar, dass die Heat Herro für einen erfahreneren Spieler wie James Harden hätten traden sollen, als sie die Chance dazu hatten.
Auf die Spitze trieb es damals – wenn auch nur scherzhaft – der ehemalige American-Football-Spieler Shannon Sharpe, welcher twitterte: „Ich höre gerade, dass die Miami Heat ‚nicht willens sind Tyler Herro in irgendeinem Tradeszenario für James Harden herzugeben‘. Stellt euch das mal vor? Um James Harden in mein Team zu bekommen würde ich nicht nur Tyler Herro mit Freuden abgeben, ich würde auch noch Guitar Hero, einen SuperHero und Hogan Hero obendrauf legen.“
Tyler Herros „katastrophale” zweite Saison
Auch auf sportskeeda.com war man sich einig, Herro durchliefe einen sogenannten „Sophomore Slump“. Diese im amerikanischen Sport häufig verwendete Redewendung spielt auf das zweite High School-, College- oder Universitätsjahr von Studenten an, welche in diesem Studienjahr oftmals nicht die hohen Leistungen des vorherigen Semesters erreichen können. – Ähnlich ergeht es des Öfteren auch Sportlern, wie offenbar auch Tyler Herro in seinem zweiten Rookie-Jahr.
Viele mutmaßten damals, dass sich Tyler Herro zu sehr an seinen neuen Status als Superstar gewöhnt habe und darüber seine eigentliche Aufgabe als Profisportler zu vergessen drohe. Auch seine Stats schienen sich nach den ersten Playoff-Partien 2020/21 im Vergleich mit den Zahlen, welche er während der Zeit in der Bubble in Orlando erzielt hatte, deutlich verschlechtert zu haben. „Nach einem bloßen Blick auf die Zahlen hätte man meinen können, Herro habe sich verletzt, doch das hatte er gar nicht“, resümierte so auch sportskeeda-Analyst Michael Tillery. Noch drastischer urteilte man auf clutchpoints.com über den Heat-Nachwuchs: „Der Rückschritt von Miami Heats Tyler Herro ist noch viel verrückter als ursprünglich angenommen“
Aber wir vom Basketball-Magazin waren damals mutig und obendrein fest entschlossen, den Rookie noch nicht abzuschreiben. Mit unserer zweiteiligen Serie „Wird Tyler Herro unterschätzt?“ widmeten wir uns damals viel eher der Frage, warum zahlreiche Fans und Experten das große Potential des Dreier-Meisterschützen immer noch nicht anerkennen wollten. – Ein Potential was diese Saison auf einmal wieder aus allen Richtungen in den Himmel gelobt wird!
Shaquille O’Neal feiert Tyler Herro (…oder doch MGK?!)
So erhielt Herros zuvor oftmals belächeltes Selbstbewusstsein, er gehöre längst in dieselbe Kategorie wie andere junge Superstars der Liga auch, vor kurzem von niemand geringerem als Liga-Legende Shaquille O’Neal Beifall: Nachdem sich der – zugegeben oftmals vielleicht etwas zu sehr von sich selbst überzeugte – Herro vorgewagt und sich selbst mit Ja Morant, Trae Young oder sogar Luka Doncic in einen Topf geworfen hatte, ging ein Aufschrei durch die NBA-Community.
Die Debatte schlug tatsächlich so große Wellen, dass man auch in der von Shaq und Co. Moderierten NBA-Show auf TNT nicht drumherum kam, über die Angelegenheit zu diskutieren. „Ich mag Tyler Herro ja, aber auf demselben Level wie diese Jungs ist er auf keinen Fall“, setzte Co-Host Charles Barkley dort bereits zu spötteln an, als ihm O’Neal ins Wort fiel: „Ich finde aber das ist er Chuck.“ Der NBA-Star setzte sogar noch hinzu: „Ich bin mit dir auf einer Seite Tyler. Kümmere dich nicht darum, was Chuck sagt. Er weiß gar nicht, wovon er spricht.“ – Na wenn das nicht Balsam auf der Seele des zuvor durchs Dorf gejagten Herros war.
(Allerdings gilt dies auch nur, wenn man davon ausgeht, dass O’Neal sich diesmal sicher war, von wem er da eigentlich sprach. Schließlich hatte Shaq, welcher schließlich oftmals dazu neigt, die Namen der Spieler durcheinanderzubringen, den Guard kurz zuvor noch mit dem Rapper Machine Gun Kelly verwechselt. – Aber das sei hier als kleine scherzhafte Anekdote nur am Rande erwähnt.)
Auch wir vom basketball-magazin waren im vergangenen Oktober bereits der Ansicht „Wer von diesem Sport etwas versteht, der wird den jungen ‚Hero‘ lieber im Auge behalten.“ Mittlerweile sind wir mit dieser Auffassung längst nicht mehr allein. So gratulierte man dem 21-Jährigen zuletzt auch auf heavy.com zu seinem außergewöhnlichen Sprung im dritten Spieljahr. Auch seine zweite Saison sei, in Zahlen betrachtet, ja eigentlich gar nicht so schlecht gewesen. – Was ihr nicht sagt? Aber tatsächlich: Laut den Statistiken von ESPN erspielte der Shooting Guard im Schnitt mehr Punkte (15,1 vs. 13,5), Assists (3,4 vs. 2,2) und Rebounds (5,0 vs. 4,1) als in seiner Rookie-Saison.
Vom Sophomore Slump zum Junior Jump
Noch besser sind jedoch die Zahlen, welcher der junge Herro in dieser bisherigen Saison und somit in seinem dritten NBA-Jahr aufgelegt hat. Mit durchschnittlich 21,6 Punkten pro Partie gehört Herro zu Beginn dieser Saison zu einem von nur drei Heat Spielern, welcher pro Partie die 20-Punkte-Marke knacken. – Und das in nur durchschnittlich 33,6 Minuten Einsatzzeit. Hinzukommen weitere 5,5 Rebounds und 3,9 Assists.
„Tyler Herro durchwanderte einen Sophomore Slump, nun macht er einen Junior Jump“, fasste man diese Entwicklung erneut mit College-Reverenzen auf fivethirtyeight.com zusammen.
Und tatsächlich: Egal, ob man von Beginn an an den jungen Meisterschützen der Miami Heat geglaubt hat, oder sich erst in den Folgejahren von seinem Talent hat überzeugen lassen, am Ende zählt doch nur die außergewöhnlich positive Entwicklung dieses Nachwuchsspielers. Schließlich deutet diese daraufhin, dass wir auch in der Zukunft noch auf großartigen Basketball hoffen dürfen. Und es bedeutet zudem auch, dass der Nachwuchs aus den jüngeren Generationen keinesfalls enttäuscht, ganz gleich welche Hiobsbotschaften man zu Beginn ihrer Karrieren auch aus den unterschiedlichsten Ecken des Internets vernehmen sollte.
Foto: AFP